Erkundung in der Zechensiedlung

Das Werkstattverfahren „Kunst im Bergpark“

 

In einem sogenannten Werkstattverfahren erarbeiteten im Jahr 2012 internationale Künstler verschiedene Kunstwerke für den künftigen Bergpark. Die KQL-Projektgemeinschaft wählte diese Vorgehensweise, um die künstlerische Gestaltung des Bergparks unter Berücksichtigung relevanter Umfeldfaktoren vorzubereiten. Das Verfahren bildete die Grundlage einer kontextbezogenen Projektentwicklung, das heißt sie bezog ökologische, wirtschaftliche, städtebauliche und soziale Aspekte des Standortes in den Planungsprozess mit ein.

 

Das Werkstattverfahren begann Mitte Mai 2012 mit einem zweitägigen Workshop im Stadtteil Lohberg, an dem insgesamt neun Künstler*innen teilnahmen. Dabei lernten sie sowohl die Bewohner*innen und aktuellen Nutzer*innen als auch das ehemalige Zechengelände kennen. Auf diese Weise fand eine intensive Auseinandersetzung mit den Lebensumständen der Bewohner*innen sowie mit der Geschichte und zukünftigen Ausrichtung des Ortes statt.

 

Im Gespräch mit einem Bewohner der Gartenstadtsiedlung Lohberg

Rundgang in Alt-Lohberg

Beim Besuch der ehemaligen Bergarbeitersiedlung Lohberg, die ab 1907 parallel zur Errichtung der Zechenanlage im Stil einer englischen Gartenstadt errichtet wurde, lernten die Künstler*innendie sozio-kulturellen und individuellen Lebenshintergründe der Anlieger*innen kennen – derjenigen Bürger*innen, die den Park neben vielen anderen Besucher*innen künftig nutzen werden. In informellen Gesprächen, beim „Blick hinter die Kulissen“ und auch bei einem gemeinsamen Essen mit der türkischen Gemeinde auf dem Frühjahrsbasar offenbarten sich die aktuellen Perspektiven der Bewohner*innen, die durch ein breites Spektrum zwischen Ungewissheit und konkreter Zukunftsorientierung geprägt sind.

Als besonders auffällig erlebten alle Künstler*innen, wie intensiv die Siedlungsbewohner*innen die gartenstädtische Struktur nutzen. In den Gärten schien sich die ruhrgebietstypische Fähigkeit zu spiegeln, sich auch unter widrigen Umständen immer wieder neu zu erfinden: Die Bewohner*innen nutzen die privaten Freiflächen zwischen den Siedlungshäusern auf unterschiedlichste Weise als Nutz- oder Ziergarten und sogar zur Prachthühnerzucht. Auf diese Weise erobern sie sich die Flächen für die landwirtschaftliche Nahrungsmittelproduktion und als dörflichen Gemeinschaftsraum.

Treffen mit Vertreter*innen der türkischen Gemeinde bei einem gemeinsamen Essen auf dem Frühjahrsbasar

„Hier ist in jedem Hinterhof schon lange Tradition, was in den Metropolen unter dem Titel ‚Urban Farming’ zur Zeit ultramodern ist“, stellte ein teilnehmender Künstler fest. „Urban Farming“ beschreibt einen Trend zur Selbstversorgung, der inzwischen selbst in Millionenstädten immer mehr Anhänger findet. Die ländlich-dörfliche Idylle, die sich in der Lohberger Gartenstadtsiedlung auf zuweilen pittoreske Art und Weise zeigt, ist allerdings nicht frei von Spannungen. Bei den Diskussionen zwischen Künstler*innen und Bewohner*innen wurde deutlich, dass sich manch alteingesessener Lohberger durch die traditionell stark im öffentlichen Raum präsente türkische Gemeinde mit ihren zwei Moscheen verdrängt fühlt – auch wenn die türkische Gemeinde zahlenmäßig nicht größer ist als andere Ethnien.

Auf dem Zechengelände

Beim Rundgang über das ehemalige Gelände der Zeche Lohberg erlebten die Teilnehmer*innen einen Ort zwischen Geschichte und Zukunft. Wo die Fläche des kommenden Bergparks als leergeräumte Brache zur Zeit so aussieht, als könnte sie überall sein, nahmen die Künstler*innen die angrenzenden Naturräume wie unwirkliche Renaturierungszonen in einer postindustriellen Landschaft wahr: Ob Schilfbiotop im Schlammbecken, Haldenberge oder das einst als Klärbecken genutzte und heute geradezu idyllisch wirkende sogenannte Kaiserbecken – die Teilnehmer*innen erlebten ein durch und durch befremdliches Gelände, das sich durch Eingriffe des Bergbaus in eine Art Zwischenlandschaft aus Kultur-, Natur- und Freizeit-landschaft verwandelt hat.

Die am Werkstattverfahren beteiligten Künstler beim Rundgang über das ehemalige Zechengelände

Wie viel Erinnerung braucht der Mensch?

Die Betrachtung der verbliebenen industriekulturellen Gebäude auf dem ehemaligen Zechengelände Lohberg löste unter den Teilnehmer*innen eine nachhaltige Diskussion über die Zukunftsfähigkeit des Ortes aus. Obwohl Relikte wie die Kaue und das monumentale Fördergerüst beeindruckten, so stellten sich einige Künstler*innen doch die Frage, ob diese Monumente dem Bedürfnis nach Neuanfang tatsächlich genügend Raum lassen.

 

Einerseits wurde die Ansicht formuliert, nur ein radikaler Schnitt schaffe Raum für eine neue Zukunft; andere widerum sahen in dem Erhalt und der vorgesehenen Widerbelebung der Bauten die Chance für ein ausgewogenes Gleichgewicht: Ihnen gefiel die Möglichkeit für einen „Diskurs der Dekaden“, der den Betrachter*innen und künftigen Nutzer*innen ein spannendes Wechselspiel von Geschichte, Gegenwart und Zukunft in der Architektur ständig sichtbar vor Augen führt.

 

Kreativ.Quartier Lohberg

Die an dem Werkstattverfahren teilnehmenden Künstler*innen trafen sich auch mit Vertreter*innen der im Kreativ.Quartier Lohberg ansässigen Unternehmen, lernten die dortigen Firmen kennen und besichtigten bei dieser Gelegenheit die umgenutzten Räume der ehemaligen Zeche Lohberg an der Hünxer Straße.

  

Auf der Halde: KQL-Projektleiter Bernd Lohse (Mitte) erläuterte die Planungen für den Bergpark

Das Konzept Bergpark

In einer abschließenden intensiven Diskussion mit dem KQL-Projektmanagement, den beteiligten Landschaftsarchitekt*innen und den verschiedenen Nutzergruppen formulierten die Künstler*innen erste Einschätzungen zum Bergpark und zu den damit verbundenen Entwicklungs-vorhaben. In diesem Zusammenhang wurden auch verschiedene Umgestaltungen angeregt: Dazu gehörte unter anderen der Vorschlag, den Spielbereich in einen der Gartenstadtsiedlung zugewandten Bereich des Parks zu verlagern. Bedenken äußerten die Teilnehmer*innen angesichts der Vorstellung, der Bergpark könne möglicherweise als ein künstliches Gebilde wahrgenommen werden. Ausdrücklich begrüßt wurde das Konzept, wonach der Bergpark die Besucher*innen in die umliegenden Landschaften leite und der Park auf diese Weise zum Ausgangspunkt für die Entdeckung der Kunst werde. Dafür hat Kurator Markus Ambach den Begriff „Choreografie einer Landschaft“ geprägt. Ziel der Werkstatt war es, möglichst viele künstlerische Arbeiten zu realisieren. Daher wählte die Jury mehrere Projekte aus.

Kurator Markus Ambach (links) stellt Künstler*innen und Juryvertreter*innen den Bergpark im Modell vor.

Teilnehmende Künstler*innen am Werkstattverfahren:

 

Folke Köberling (*1969), lebt und arbeitet in Los Angeles und Berlin

Jeanne van Heeswijk (*1965), lebt und arbeitet in Rotterdam (NL)

Christine & Irene Hohenbüchler (*1964), leben in Wien und Berlin

Jacob Kolding (*1971), lebt und arbeitet in Berlin

Martin Pfeifle (*1975), lebt und arbeitet in Düsseldorf

Philipp Rühr (*1986), Henning Fehr (*1985), leben und arbeiten in Düsseldorf

Boris Sieverts (*1969),  lebt und arbeitet in Köln