Führung vor Baustellenbeginn
Trockenen Fußes im Lohberger Weiher stehen: Ehemalige Bergmänner, Anwohner und Interessierte erkunden kurz vor Baubeginn das Gesamtgelände der Zeche Lohberg. Vergangenheit und Zukunft begegnen sich.
Etwas Fantasie brauchen die Teilnehmer der Führung schon, um sich vorzustellen, wie hier zukünftig reges Leben auf dem zentralen Platz, dem Rad- und Fußweg und am Ufer des Lohberger Weihers herrscht. Stadtplanerin Anja Sommer und Standortmanagerin Svenja Noltemeyer führen ihre gut 20-köpfige Gruppe äußerst kundig über das Zechenareal, das insgesamt über 300 Hektar umfasst. Am 15. Juli 2013 wird hier der Startschuss für die Bauarbeiten des Bergparks und des Lohberg Corso – so heißt der Weg durch das Gesamtgelände – fallen. Mit der Stille, die an diesem Juni-Sonntagnachmittag über den historischen Bauten und verwaisten Plätzen liegt, ist es dann erst mal vorbei.
Wie das Arbeitsleben hier rund um die Uhr aussah, davon erzählt ein früherer Bergarbeiter lebhaft. Jeden Morgen zogen die bis zu 500 Kumpel der Frühschicht vom Pförtnerhäuschen durch die Lohn- und Lichthalle zur Waschkaue. „Von der Weißkaue aus liefen wir nackt durch den langen Gang zur Schwarzkaue. Die ausländischen Kollegen trugen anfangs oft ein Handtuch um die Hüften oder eine Schlafanzughose, aber das Nacktsein wurde schnell selbstverständlich. Und dann ging es in den Schacht, mittags das Ganze rückwärts. Die Nachmittagsschicht war etwa um 20 Prozent geringer besetzt, die Nachtschicht noch kleiner.“ Bis zu ihrer Schließung Ende 2005 arbeiteten bis zu 3.000 Bergmänner in der Zeche Lohberg. Der weißbärtige Herr betont, sie hätten die Weltneuheit des Abteufens per Gefrierverfahren angewandt.
Fördertürme sind vom Gasometer aus sichtbar
Viele Erinnerungen kommen hoch, und Bergleute und Lohberger Anwohner diskutieren, was sich wohl von den Vorhaben der Planer realisieren lässt. Einig sind sich alle darin, dass auf jeden Fall die beiden Fördertürme, Wahrzeichen des Ruhrgebiets, erhalten werden müssen. „Man kann sie sogar vom Gasometer aus sehen“, berichtet Anja Sommer. „Die Seilscheiben mit mehr als acht Metern Durchmesser sind wahrscheinlich die größten in ganz Europa.“ Die Kosten jedoch seien immens: Alleine der neue Anstrich für einen Förderturm würde ca. eine halbe Million Euro kosten.
„Sichere Projekte sind bisher der Bergpark, der Autobahnzubringer im Süden der Fläche und der Corso, also die Nord-Süd-Achse, die am zentralen Platz neben der Kaue ihren Mittelpunkt findet“, erklärt Svenja Noltemeyer. „Das Besondere ist, dass Abriss und neue Nutzung hier in Schritten parallel verlaufen.“ Auch Zwischennutzungen bringen Leben in die teils über 100 Jahre alten Gebäude. In der ehemaligen Zentralwerkstatt wurden die bleihaltige Farbe und der ölige Boden bereits entfernt. In der beeindruckenden Kulisse der lang gestreckten Stahlkonstruktion, mit Backstein umhüllt, finden beispielsweise Filmaufnahmen und Brautshootings statt. „Meine erwachsenen Kinder würden das für eine ideale Party-Location halten“, versichert ein Teilnehmer, „Musikanlage rein und los.“ „Später könnten Handwerker und Kreative hier ‚gläserne‘ Werkstätten betreiben, die für die Besucher zugänglich sind“, stellt die Standortmanagerin in Aussicht.
Denkbare Nutzungen historischer Gebäude: Café, Konzerte, Skaterbahn und mehr
„Die RAG sucht Investoren, die diese architektonisch bedeutenden, denkmalgeschützten Gebäude in ihren Werten richtig darstellen“, erläutert Stadtplanerin Sommer. „Dieser Prozess ist unglaublich aufwendig und mühsam“, ergänzt Noltemeyer. Marode Backsteinwände und kaputte Fensterscheiben der ehemaligen Zentralwerkstatt zeugen von der Dringlichkeit der Sanierungen. Der monumentale Kohlenrundeindicker soll als Landmarke stehen bleiben; eine attraktive Nutzung könnte ein Café in luftiger Höhe sein, hört man von Teilnehmern der Führung. Das 35 Meter hohe Dach der 110 Meter langen, nicht unter Denkmalschutz stehenden Mischanlage könnte mit einer Fotovoltaikanlage ausgestattet werden, denn das Kreativ.quartier Lohberg soll sich mittels innovativer Energien zu einem CO²-neutralen Standort entwickeln. In der Riesenhalle wären zum Beispiel Reitturniere, eine Skater-bahn oder Konzerte denkbar.
Bei ihrem Weg über das Gelände stellt sich die Gruppe auch in den zukünftigen Lohberger Weiher: Vor Baubeginn ist das zum letzten Mal trockenen Fußes möglich. „Die Mauer, die dieses Gebiet zur Hünxer Straße hin abgrenzt, soll fallen, die Straße wird verkehrsberuhigt“, erklärt Anja Sommer. „Die Gartenstadt soll mit dem ehemaligen Zechengelände zusammen wachsen, das ist ganz wichtig. Bisher war die Zeche eine Welt für sich, die sich nun für die Bürger öffnen will.“ Ein teilnehmender Anwohner hofft, dass sich das „seit 100 Jahren schlechte Image Lohbergs“ mit der Neunutzung endgültig zum Guten wandelt. „Mit dem Ledigenheim hat es sich schon verbessert.“ Stadtführerin Sommer und Standortmanagerin Noltemeyer sind optimistisch: „Auch das Kreativ.Quartier Lohberg macht den Stadtteil lebendig. Die weitere Entwicklung wird sich sehr positiv auf Gesamtlohberg auswirken.“