Porträtserie kql.de, Folge 7, Teil 2: Familie Hafizoglu – weltoffen und traditionell
Ugur und Ömür Hafizoglu aus Lohberg sind längst erwachsen und seit vier beziehungsweise zwei Jahren verheiratet. Zur Freude der jungen Oma Zekiye hat Ugur auch schon einen kleinen Sohn. Ugur arbeitet als Bürokaufmann und freiberuflich als Fotograf, Ömür hat BWL studiert und ist bei einem Düsseldorfer Beratungsunternehmen tätig.
Ömür Hafizoglu lebt inzwischen in der Landeshauptstadt, obwohl er an Lohberg hängt. Als Gästeführer für „Lohberg Tours“ zeigt er Besucher*innen den Stadtteil, führt sie in die Geschichte der Bergarbeitersiedlung ein und erzählt authentisch vom Zusammenleben der verschiedenen Kulturen und Religionen.
Die Welt der Söhne ist größer
Seine Eltern sind glücklich und stolz, dass ihre Söhne „auf dem richtigen Weg sind“ und qualifizierte Berufe ausüben. „Als sie Jugendliche waren, hatte ich Angst, dass sie mit den falschen Leuten zusammenkommen und auf die schiefe Bahn geraten“, blickt Zekiye Hafizoglu zurück. „Wir haben immer gesagt: Ihr könnt machen, was Ihr wollt, solange ihr keinen blauen Brief nach Hause bringt und die Polizei nicht vor der Tür steht.“ Am wichtigsten sei ihr, das betont sie mehrfach, dass ihre Kinder ehrlich sind, und dass sie gesund sind. „Der Job ist nicht maßgeblich.“ Aber ihre Welt sei größer, weil sie gebildeter seien und viel reisten, das sei sehr schön.
Eigene Wohnung in Istanbul
Immer wieder reist die Lohberger Familie in die Türkei, an die Schwarzmeerküste zu den Schwiegereltern oder nach Istanbul, wo sie eine eigene Wohnung besitzen. „Ich liebe Istanbul über alles, die Kultur und Geschichte…“, schwärmt Zekiye Hafizoglu. Und sie möchte einmal in ihrem Leben nach Mekka. „Vielleicht überlege ich mir das mit dem Kopftuch ja anders, wenn ich dort war“, überlegt sie. Wie auch immer, das entscheidet sie ganz allein. So wie sie es ihr Leben lang gehalten hat.
In Lohberg ist ihre Familie verwurzelt, und wie jeder, den man fragt, lobt sie den Zusammenhalt der Menschen. „Hier ist es selbstverständlich, dass alle hinlaufen und fragen, ob sie helfen können, wenn mal ein Krankenwagen kommt.“ Bei Ömür in Düsseldorf mache das niemand – außer ihrem Sohn natürlich.
„Junge Leute bringen Weltoffenheit nach Lohberg“
„Lohberg hat sich sehr, sehr positiv verändert“, freut sich Zekiye Hafizoglu. „Das A und O ist, dass fast alle Frauen arbeiten und 80 Prozent einen Führerschein haben. Die jungen Leute bringen Weltoffenheit in den Stadtteil. Viele Mädchen studieren, und ihre Eltern erzählen stolz, wenn ihre Tochter im Ausland arbeitet, etwa in Dubai. Früher wäre das undenkbar gewesen.“ Außerdem gefällt ihr, dass viele Bewohner*innen nun wie sie selbst Hausbesitzer*innen sind und tatkräftig Häuser und Gärten verschönern. Auch hier sei die junge Generation Vorbild für die ältere. „Papa, mach das mal so“ sei eine häufige Ansage beim Werkeln in Haus und Hof.
„Wir leben gerne in Lohberg“, sagt Zekiye Hafizoglu. Sie und ihr Mann möchten auch hier im eigenen Haus bleiben, wenn er im Ruhestand sein wird. Vor allem wegen der Söhne und Enkelkinder. „Wenn die Gesundheit es zulässt, werden wir dann zwischen Dinslaken und der Türkei pendeln. Ich gehe und komme, wie ich möchte.“
„fest integrierter Bestandteil der Gesellschaft“
Ihr Sohn Ömür sieht das Zusammenleben von Migranten und Deutschen so: „Ich sehe mich ebenfalls als Türke, mit deutscher Heimat. Ich finde, dass die türkische Gemeinde immer weniger als Minderheit und immer mehr als fest integrierter Bestandteil der Gesellschaft gilt. Wie meine Mutter sagt, die Kultur ist wertvoll und sollte nicht abgelegt werden. Nicht als Parallelgesellschaft, sondern mehr als harmonisches Miteinander oder manchmal sogar als Ergänzung. Als Beispiel für eine Zukunft nehme ich oft Little Italy in New York. Diese Menschen sind italienische Amerikaner. Wenn wir es richtig machen, kann es hier auch so werden. Das wäre für alle Mitglieder der Gesellschaft ein Mehrwert.“
Bildung ist ein wesentlicher Aspekt
Mit Vorurteilen werde man immer konfrontiert. „Ich versuche es aber oft gelassen zu sehen. Früher waren wir sehr gespalten und aufgrund lokaler „Ghettoisierung“ fremd. Bis heute wurden viele Barrieren abgebaut. Auch aufgrund verschiedener Krisen musste man aufeinander zugehen. Darum denke ich, dass spätestens die Generation nach uns es einfacher haben wird. Da ist Bildung auf beiden Seiten ein wesentlicher Aspekt.“
Text: Gudrun Heyder
Fotos: Gudrun Heyder (1) / privat