"No Ferry III"

Serie Folge 5 MAGENTA - Studio für Malerei

 


„Malen ist auch eine Mutfrage“


Ulrike Int-Veen zog 2009 als eine der ersten Kreativen ins KQL ein. Sie begreift Malerei als „Schule des Lebens“. Die Künstlerin und ihre Kursteilnehmerinnen malen ungegenständlich, die Ausdruckskraft der Farben steht im Mittelpunkt.


„Beim Malen bin ich total im Jetzt. Da bin ich präsent, da agiere ich. Vergangenheit und Zukunft spielen keine Rolle und ich knüpfe an die Ebene der Intuition an. Das macht sehr lebendig und wach und gibt mir ein tiefes Gefühl der Zufriedenheit“, begründet Ulrike Int-Veen ihre lebenslange Liebe zur Malerei. „Ich gucke deswegen mit einer anderen Aufmerksamkeit auf die Welt.“ Die Malerei als Schule des Lebens ist auch das Motto für ihre Kunstkurse. Tag für Tag steht die 58-Jährige in ihrem Atelier im ehemaligen Gesundheitshaus der Zeche Lohberg und ist entweder in ihre eigenen Farbwelten oder in ihren Unterricht vertieft. Beides ist sowohl ihr Broterwerb als auch ihr Traumberuf.


Ursprünglich wollte die gebürtige Bottroperin Lehrerin für Deutsch und Geschichte in der Erwachsenenbildung werden. Dafür musste sie zunächst mit 24 Jahren das Abitur am Ruhr-Kolleg in Essen nachholen, denn sie war vorzeitig von der Schule abgegangen: „Ich hatte als Jugendliche Wichtigeres zu tun“, erzählt sie vergnügt. Während ihres Studiums bekam Ulrike Int-Veen ihre Tochter und ihren Sohn und war nach dem Abschluss einige Jahre in Vollzeit für ihre Familie da. Dann entschied sie sich, mit dem zu beginnen, was sie schon immer gelockt hatte: Malerei zu studieren.


„Ich habe an einem privaten Institut, dem Novalis Hochschulverein in Kamp-Lintfort studiert und 1999 war ich dann Diplom-Malerin.“ Seitdem arbeitet die Dinslakenerin im eigenen Atelier, zuerst im Büro ihres Mannes, eines selbstständigen Architekten. Als er vor fünf Jahren starb, musste sie noch einmal neu entscheiden, ob sie den Lebensunterhalt für sich und ihre Kinder mit ihrer Kunst verdienen wollte und konnte. Sie folgte ihrem inneren Antrieb und es fügte sich, dass gerade kreative Selbstständige für die Zwischennutzung einiger Gebäude in der kürzlich geschlossenen Zeche Lohberg gesucht wurden.
 

"Blueberry Dreams I"

Die Atelierräume in der gerade still gelegten Zeche gefielen der Künstlerin, die selbst aus einer Bergarbeiterfamilie stammt, sofort.


„Die Räume haben mich total angesprochen“, erinnert sich die Malerin. „Das Zechenleben war noch zu spüren. Ich hab eine Affinität dazu, weil mein Vater und meine beiden Großväter Bergleute waren.“ Im Kreativ.Quartier hat sich Ulrike Int-Veen von Anfang an wohl gefühlt und war froh, dort auf Gleichgesinnte zu stoßen. „Als Malerin ist man letztendlich immer mit seinen Bildern allein und der Austausch mit anderen künstlerisch Aktiven und Gleichgesinnten tut gut. Es sollte wohl so sein, dass wir an diesem Ort zusammen finden.“ Gemeinsame Projekte und Tage der Offenen Tür (open houses), die Beteiligung an Extraschicht und ZechenSession sowie die gegenseitige Unterstützung sind für die Frauen und – wenigen – Männer im KQL selbstverständlich.


Ulrike Int-Veen hat ihr Studio für Malerei „MAGENTA“ genannt, weil ihr die intensive, leuchtende Farbe so gut gefällt und es schön klingt. Die Bezeichnung einer Farbe für ihre kreatives Unternehmen zu wählen, passt zu Ulrike Int-Veens Arbeitsweise, denn sie mischt ihre Farben selbst aus Pigmenten und Bindemittel zu Acrylfarben. Durch Tuschen, Lacke und anderes wird das Arbeitsmaterial ergänzt. Auch die Kursteilnehmerinnen stellen ihre Farben selbst her, denn sie sollen einen Bezug zu deren individueller Qualität und Beschaffenheit bekommen. Männer besuchen eher selten einen Kurs, warum auch immer. Ausgeschrieben ist der Unterricht für alle Geschlechter.
 

Unterricht im Studio für Malerei

Frauen zwischen 35 und knapp 80 Jahren besuchen Ulrike Int-Veens Unterricht. „Das sind keine Hobby-Malerinnen. Manche bleiben über Jahre.“


Die Kurse, Workshops und berufsbegleitenden Ausbildungen besuchen Frauen zwischen Mitte 30 und Ende 70. „Das sind Frauen mit eigenen künstlerischen Ambitionen“, stellt Ulrike Int-Veen klar, die zum Teil auch ihre Arbeiten ausstellen. Jede entwickelt im Laufe der Zeit ihre persönliche Handschrift. Schön ist, dass viele so lange dabei bleiben und ich so ihre malerische Entwicklung begleiten und erleben kann.“ Die Malpädagogin möchte den Blick ihrer Schülerinnen schärfen, damit sie zum Beispiel ein Stillleben auch als Komposition aus Formen und Farben sehen können.


In ihren beiden hellen, schlichten Unterrichtsräumen, die sich während des Unterrichts mit farbintensivem Leben füllen, sind noch solche Stillleben vom letzten Kurstag arrangiert: jeweils ein zarter, bizarr geformter Samenstand einer Klematis, ein orangefarbener Kürbis, grüne Weintrauben und zwei gelbrote Äpfel. „Es geht darum wahrzunehmen, wie der Zweig liegt, wie sich die Flächen und Farben zueinander verhalten.“ Wer unbedingt Obst abmalen will, darf das auch, aber eigentlich besteht die Aufgabe darin, sich vom Stillleben inspirieren zu lassen und es in ein ganz persönliches „abstraktes“ Bild umzusetzen. „Die Prinzipien, die in der gegenständlichen Malerei gelten, um ein ausgewogenes Gemälde zu schaffen, bestehen genauso in der ungegenständlichen Malerei: Komposition, Hell-Dunkel, Farbklang“, erklärt Ulrike Int-Veen. Ihre Kenntnisse und Erfahrungen gibt die Dinslakenerin nicht nur live, sondern auch im Internet bei „Geistreich Lernen“ weiter. Ab und zu fährt sie nach Dortmund, um sich beim Malen filmen zu lassen. Die entstandenen Lehrvideos leiten Malinteressierte online an.


„Ich selbst habe meine eigenen Themen und meinen eigenen Stil erst nach dem Diplom entdeckt“, sagt Ulrike Int-Veen. Oftmals lässt sie sich von der Natur anregen, um Motive zu finden. Dazu genügen auch kleine Dinge: etwa ein Stein oder eine Blüte. „Selbst etwas Neues zu schaffen, von der Idee bis zum fertigen Bild, ist beglückend. Dabei geht es immer auf und ab. Es gibt Tage, da malt die Hand wie von selber, und Tage, da kann ich mich schon kaum für eine Farbe entscheiden.“


Ihre Bilder leben von der Spannung aus bewegten Linien und ruhigen Flächen, pastelligen und leuchtenden Farben, zartem und kräftigem Farbauftrag, mal transparent, mal pastos. Die dreidimensional wirkenden Kompositionen scheinen zu schweben und strahlen Leichtigkeit aus, verlieren sich aber nicht im Raum. Jeder Betrachter kann sich seine eigene Welt hineindenken.
 

"Granatapfel I"

Ulrike Int-Veens stellt derzeit in Wien „spannende Positionen zur Achterbahn des Lebens“ aus.


Zur selbstständigen Existenz als Künstlerin gehört weit mehr, als Werke zu schaffen, die auf dem Markt gefragt sind: Man muss an Messen teilnehmen, Ausstellungen vorbereiten, sich um Finanzen, PR-Arbeit und Buchhaltung kümmern. So sind die Arbeitstage der Diplom-Malerin oft lang, aber sie genießt die damit verbundenen Freiheiten. „Wenn ich tagsüber drei Stunden mit meinem kleinen Enkel verbringen möchte, sitze ich eben bis abends um elf vor dem PC.“


Seit 2013 ist Ulrike Int-Veen Mitglied im Bundesverband Bildender Künstler (BBK), um sich auch in einem Berufsverband zu organisieren. Galeristen aus Wien entdeckten ihre Bilder auf der Website des BBK, und so stellt sie nun im September 2014 in der österreichischen Metropole der Melancholie „spannende Positionen zur Achterbahn des Lebens“ aus. 2015 soll eine Einzelausstellung folgen. Schon mehrfach war sie an der anspruchsvollen internationalen Messe für zeitgenössische Kunst „Hunten Kunst“ in den Niederlanden beteiligt. In ihrem Geburtsort Bottrop wirkt sie bei den Jahresausstellungen der örtlichen Künstlerinnen und Künstler im Museum „Quadrat“ mit, im Städtischen Museum Kalkar zeigte sie eine Einzelausstellung, ebenso bei Boesner in Witten.


Einen Ausgleich zur Malerei braucht die Künstlerin eigentlich nicht, „aber ich muss auch mal Zeiten haben, in denen ich nicht in die Farbe gucke.“ Dann besucht sie Ausstellungen, verbringt Zeit mit Freunden, ihren Kindern und dem Enkel. „Ich bin ein Familienmensch“, betont sie. In jedem Sommer nimmt sich Ulrike Int-Veen einen Monat lang frei von Unterricht und Terminen, um sich ganz auf ihr eigenes Schaffen konzentrieren zu können. Auch die Zeit um Ostern und Weihnachten herum gehört ganz ihr.


Text: Gudrun Heyder

Fotos: Ulrike Int-Veen
 

MAGENTA - Studio für Malerei

INFO


Ulrike Int-Veen
MAGENTA – Studio für Malerei
Kreativ.Quartier Lohberg
Hünxer Straße 368
46537 Dinslaken


www.magenta-malerei.de
 

Aktuell: 26.-28.09. 2014 ABSCHLUSS-AUSSTELLUNG KÜNSTLERISCHE STUDIENJAHRE