Filzkunst im Steigerhaus
Anja Sommer lebt in der Gartenstadt und verwandelt in ihrer Werkstatt unter’m Dach unter dem Label „SommerFilz“ Wolle in farbenfrohe Kunstwerke. Die vielseitige Städteplanerin ist in Lohberg auch als kundige Gästeführerin beliebt.
Die in Hagen geborene Diplom-Ingenieurin hat zwei ihrer Talente zu ihrem jetzigen Beruf gemacht, und beides ergab sich eher zufällig: Mit ihrer Familie ist Anja Sommer 2006 nach Lohberg gezogen, weil sie sich in das denkmalgeschützte Obersteigerhaus verliebten, das sie in einer Immobilienanzeige aufgespürt hatten. Kurze Zeit darauf ermunterte sie Janet Rauch, die damals noch für das Forum Lohberg tätig war, als Fachfrau Führungen durch die Gartenstadt anzubieten. Etwas später wurde Bernd Lohse von der RAG Montan Immobilien GmbH auf Anja Sommer aufmerksam und so erweiterte sie ihr Angebot durch Rundgänge über das Gelände der ehemaligen Zeche Lohberg.
Mit diesen Führungen für Gäste aus ganz Deutschland und den Niederlanden hat Anja Sommer großen Erfolg, sie sind nahezu immer ausgebucht. Sehr kenntnisreich und anschaulich vermittelt sie ihr Wissen über die Geschichte der Zeche Lohberg und der Gartenstadt, der historischen Gebäude und der damaligen Arbeitswelt. Teils im Dialog mit Zeitzeugen bringt sie die Geschichte stets in Verbindung mit der gegenwärtigen Arbeit der Künstler*innen im Kreativ.Quartier. Auch alles, was sich in Sachen Kultur, Freizeit, Gewerbe und Wohnen Neues tut, weiß die Städteplanerin kurzweilig zu schildern.
Masken des Wandels im KunstKiosk 422 ausgestellt
Die Vielseitigkeit des Filzens entdeckte Anja Sommer ebenfalls 2006, als sie für ihre beiden Kinder die ersten Zwerge und Tiere nach deren Lieblingsgeschichten gefilzt hatte. Filz – viele denken dabei nur an niedliche Figürchen für Weihnachtsmärkte. Der Werkstoff aus Wolle bietet aber darüber hinaus die Möglichkeit, richtige Kunstwerke zu schaffen. Die fantasievolle 47-Jährige bewies ihr Talent unter anderem, als sie 2012 im ehemaligen KunstKiosk 422 ausdruckstarke “Masken des Wandels” ausstellte: drei Installationen, die den Wandel der ehemaligen Zeche Lohberg versinnbildlichten.
Die Selfmade-Künstlerin wählte dafür das Haupt der Medusa mit ihren leidvollen Augen als Motiv, um den Abriss der Gebäude auf dem Zechengelände zu symbolisieren, sowie die Sorge um hohe Arbeitslosigkeit nach der Schließung. Um ihre gefilzte Dharmapala, eine zornvolle Schutzgottheit aus dem tibetischen Buddhismus, arrangierte Anja Sommer einige Pläne als Symbol für frische Ideen, zudem eine Bergmannslaterne und Schuhe – ein Bild für die Suche nach einer neuen Bestimmung für das Zechengelände. Die dritte Filzfigur, ein schlauer und kreativer Rabe, stand für den Appell an die Anwohner, ihre Wurzeln und Fähigkeiten zu nutzen, um persönlich und für den Ort etwas Neues aufzubauen.
„Meine Kinder bringen mich auch heute noch auf Ideen, ebenso wie andere Menschen, mit denen ich in Kontakt komme. Der Werkstoff Filz ist neben meinen Zeichnungen mein ideales Ausdrucksmittel geworden“, erzählt Anja Sommer. „Und der Raum unter dem Dach des Steigerhauses eignet sich ideal als Werkstatt.“ Hier, in Anja Sommers künstlerischem Labor und Rückzugsort mit dem freistehenden Kamin, entstehen ganz unterschiedliche Exponate: Filzbilder, geschmackvolle Gebrauchsgegenstände wie Kissen und Tischdekorationen, Tiere – zum Beispiel Vögel und Frösche, Pferde und Drachen -, sowie verwunschene Wesen wie Baum- und Wassergeister, Hexen- und Trollköpfe. Auch wilde, starkfarbige Masken gehören zu dieser textilen Vielfalt. Nach zehn Jahren kontinuierlicher Weiterentwicklung der Filztechnik ist die Künstlerin sehr versiert und probiert immer wieder Neues aus.
Filzkurse bieten eine kreative Auszeit vom Alltag
In Kursen vermittelt sie Kindern und Erwachsenen ihre Fertigkeiten und den Spaß am Filzen. Anfänger können sich etwa an kleinen Blumen versuchen, Fortgeschrittene schaffen in einem einwöchigen Sommerkurs auch aufwändige Werke wie eigene Masken oder Trollköpfe und Tiere. Wer ausprobieren möchte, wie aus Wolle, warmem Wasser und Seife durch kräftiges Walken feste Textilgebilde entstehen, kann einmal im Monat in Anja Sommers Werkstatt kommen (siehe INFO). „Viele Teilnehmer kommen zum Filztreff, um der Hektik des Alltags für eine kleine Weile zu entfliehen und nehmen mit ihren gefilzten Objekten ein Stück dieses positiven Erlebnisses, durch das Filzen bei sich wieder anzukommen, mit nach Hause.“
Anja Sommer ist in Lohberg sehr aktiv und vielfältig vernetzt. Als Kunstschaffende ist sie Mitglied im Verein der Kreativen, die im früheren Sozialhaus und Gesundheitshaus der Zeche sowie in der Gartenstadt neues Leben in die alten Gemäuer bringen. In diesem Rahmen sind immer wieder Ausstellungen von ihr zu sehen gewesen. Als Akteurin des Kunstprojekts „Parkwerk - lokale Reisen ins Blaue“ hat Anja Sommer 2015 Lohberger Bürger verschiedenen Alters zu weiteren Gästeführern ausgebildet. „Parkwerk“ ist Teil der von Markus Ambach kuratierten „Choreografie einer Landschaft“. Lokale Künstler*innen und Fachleute wie die ehemalige Betreiberin des Kunstkiosks 422, Britta L.QL, unterstützen das Projekt. Mit ihr arbeitet Anja Sommer derzeit an ihrem neuesten Projekt: einem geführten Rundgang mit szenischen Elementen als Teil des Gesamtprojektes „Transformationen“ vom 23. bis 30. Oktober 2015.
Brücken bauen zwischen früher und heute, alten und jungen Menschen
So trägt Anja Sommer ihre Fertigkeiten und Ideen in den Stadtteil und setzt sich wie ihre Mitstreiter dafür ein, dass die Lohberger Bürger an den großen Entwicklungen teilhaben und sich im Kreativ.Quartier aktiv einbringen können. Die große, kommunikationsstarke Frau baut gerne Brücken – zwischen Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft, zwischen Menschen unterschiedlicher Herkunft von jung bis alt, zwischen alter Handwerkstradition und moderner Kunst.
Text: Gudrun Heyder
Fotos: Anja Sommer
INFO zu SommerFilz und Führungen von Anja Sommer
Anja Sommer
Schachtstr. 2
46537 Dinslaken
E-Mail: info@sommerfilz.de
www.sommerfilz.de
Tel.: 02064-428533
SommerFilz bietet verschiedene Kurse für unterschiedlich Interessierte an: von der Schulklasse bis zu Kursen in Dreier- oder Vierer-Gruppen – vom Anfänger bis zum Fortgeschrittenen – entweder vor Ort oder aber in der Werkstatt unter’m Dach.
Fortlaufendes Kursangebot – Filzen einmal im Monat mittwochs 15 – 19 Uhr. Der Einstieg ist jederzeit möglich. Die Kursgebühr pro Termin beträgt 30,- € zzgl. Material nach Verbrauch. Anmeldung: telefonisch oder per Mail.
Zweimal im Jahr öffnet die Werkstatt unter’m Dach für Interessierte ihre Türe; außerdem kann das alte Steigerhaus an diesen Tagen besichtigt werden.
Themen und Zeiten der Führungen finden Sie unter „Termine“ auf der Startseite.