Künstlerin mit zwei Seelen


Sabine Hulvershorn arbeitet als Malerin und Kunsttherapeutin nach dem Grundsatz „Ich muss was für die Menschen machen.“ Im Kreativ.Quartier Lohberg ist sie seit Beginn an in ihrem Atelier „spirit & art“ aktiv.

 

„Zwei Seelen“ vereine sie in sich, sagt Sabine Hulvershorn. Die Dinslakenerin wollte schon immer künstlerisch tätig sein. Bereits in der Schule zeigte sich ihr Talent und es hieß: „Du musst Kunst studieren.“ Andererseits ist ihr die therapeutische Arbeit sehr wichtig. In ihrer ersten Ausbildung verband sie beide Ambitionen und wurde Ergotherapeutin: „Da ist viel Kunst drin.“ Ein Studium der Malerei folgte später. Als 2009 Kreativunternehmer für das KQL gesucht wurden, beschloss sie, dort ein Atelier zu beziehen.
 

„Wir haben hier Pionierarbeit geleistet“, findet Sabine Hulvershorn wie viele ihrer Künstlerkolleg*innen im KQL. Sie gelangte über Bekannte dorthin. Auch sie ließ sich bei der Besichtigung der alten Zechengebäude von „pechschwarzen feuchten Wänden, Dreck und Löchern im Dach“ nicht abschrecken, sondern begeisterte sich für die einzigartige Atmosphäre in dieser historischen Stätte schwerer körperlicher Arbeit. Also krempelte sie die Ärmel hoch und verwandelte ihre Räume mit Dachschrägen im ehemaligen Sozialgebäude in schöne Ateliers mit behaglicher, warmer Stimmung. spirit & art heißt ihr Atelier, in dem sie auch Ausstellungen zeigt.

 

Überzeugung: „Der Schaffensprozess bewirkt immer etwas Positives.“

 

„In den ersten drei Jahren war ich täglich sechs Stunden hier, um ganz konzentriert zu malen, das war toll“, erzählt die 54-Jährige. „Aber als Spätberufene von der Kunst zu leben, wenn man nicht gerade an der Akademie in Düsseldorf studiert hat, ist nicht so einfach“, gibt sie offen zu. Das ist aber ohnehin kein Geheimnis. Sabine Hulvershorn absolvierte ihre Ausbildung beim Novalis Hochschulverein in Kamp-Lintfort. Als 2011 das Angebot von ihrem früheren Arbeitgeber - einer Klinik - kam, dort wieder einzusteigen, sagte sie zu und übernahm eine Halbtagstelle. Das bedeutet für ihren Alltag: intensive therapeutische Arbeit mit schwer psychiatrisch erkrankten Menschen, künstlerisches Wirken im KQL und zusätzlich Kunst- und Kunsttherapeutische Kurse sowie Entspannungs- und Meditationskurse, die sie dort gelegentlich anbietet. Ein anspruchsvolles Pensum, zumal Sabine Hulvershorn auch zwei inzwischen erwachsene Söhne hat. Ihr Mann arbeitet als Psychiater im Krankenhaus.

 

„Ich habe auch noch Ausbildungen zur Entspannungstherapeutin und in der Meditation angeschlossen, weil ich für die sehr kranken Patienten händeringend etwas gesucht habe, was ihnen hilft. Im Laufe der Jahre macht man dann so allerhand…“ Für Sabine Hulvershorn gehören die Malerei und die Therapie zusammen: „Ich bin felsenfest davon überzeugt, dass Kunst heilt. In mir hat der Schaffensprozess immer etwas Positives bewirkt und ich bin überzeugt davon, dass es auch bei anderen Menschen so sein kann.“ Sich in das kreative Tun zu versenken, kann die Gedanken für eine Weile zur Ruhe bringen. Etwas Neues entsteht, in dem man andere Seiten an sich entdecken kann. In Ihrer Jugend war einer von Hulvershorns Lieblingskünstlern Vincent van Gogh, der Psychiatriepatient war und in seinen wilden, leuchtenden Gemälden seine Bestimmung fand. Die Malerin steht einem anthroposophischen Verständnis von Kunst nahe, in dem das seelische Erleben von Farbklängen wesentlicher ist als einernaturalistische Abbildung.
 

Viele ihrer Bilder sind bunt und fröhlich und halten die Waage zwischen gegenständlicher und abstrakter Malerei. Oftmals sind Landschaften oder Figuren zu erkennen, die dem Betrachter Raum für eigene Assoziationen lassen, die nichts „festhalten“ oder originalgetreu wiedergeben wollen, sondern mit Farben und Formen als eigenständigen Ausdrucksmitteln meditative Stimmungen erzeugen. Trotz der farbenkräftigen Gestaltung strahlen sie Ruhe und Harmonie aus.

 

Lebensfrage: „Was bewegt den einzelnen Menschen und was verbindet sie alle?“

 

Ihre Reisen weckten Sabine Hulvershorns Interesse an der grundlegenden Frage, was die Menschen in aller Welt bewegt und was sie verbindet. Ein bedeutendes Thema gerade jetzt, da immer mehr Flüchtlinge in Westeuropa Zuflucht suchen und vielfach auf Ablehnung stoßen, während IS-Terroristen im Namen der Religion wahllos morden. „Alle wünschen sich im Grunde dasselbe: Gesundheit, ein schönes Zuhause, keine Kriege, dass ihre Kinder vorankommen…“ An diese Gemeinsamkeiten knüpft die Malerin die Hoffnung, dass sich die Menschen umfassender wahrnehmen und respektieren können.

Im Rahmen der Kulturhauptstadt RUHR 2010 nahm die Kreativschaffende am Städte - Partnerschafts - Projekt zwischen Dinslaken, Arad/Israel und Agen/Frankreich teil. „Alle meine Arbeiten dafür sind von der Atmosphäre und dem zwischenmenschlichen Begegnungen an den jeweiligen Orten geprägt. In Agen ging es mir darum, die ande-ren Menschen kennenzulernen und die entsprechende Stimmung des kreativen Fun-kens, der Entstehung und Entfaltung auszudrücken. Gleichzeitig entstand für mich so etwas wie die Aufhebung der Unterschiede: Wir sind alle menschliche Wesen auf dieser Erde mit den gleichen Bedürfnissen.“
 

In der Wüste Negev spürte sie die Unmittelbarkeit zwischen Himmel und Erde und den Menschen zwischen Irdischem und Transzendenz. Sie setzte das Thema „Mensch – Erde – Himmel“ dort in einer Steinspirale um. In der auf sie morbide wir-kenden Zentralwerkstatt auf der Zeche Lohberg versuchte sie zu spüren, wie ein Ar-beiter sich dort gefühlt haben muss, der dort oder Untertage sein Leben lang gear-beitet hat – eher als Teil einer funktionierenden Menge denn als Individuum. „Der allgegenwärtige Kohlenstaub, der Lärm, das mangelnde Licht, die körperliche Belas-tung, die Enge…“ beeindruckten die Künstlerin. Gefundene Schweißermasken ver-anlassten sie zu der Maskenskulptur ‚Schweißer’.

Aktionen: Zauberwald mit Wunschbaum und leuchtende Landart mit Monsterkopf

 

Seit 2009 beteiligt sich die Dinslakenerin aktiv an den Aktionen der KQL-Künstler*innen wie der Extraschicht und dem open house. 2011 installierte sie einen „Zauberwald“ mit Wunschbaum im Fördermaschinenhaus der Zeche Lohberg. Etwa 500 Besucher*innen ließen sich von der Installation inspirieren. 2014 stellte sie unter dem Titel „Erde, Lehm und Farben“ ihre bearbeiteten Fotos und Gemälde aus, kom-biniert mit Weltmusik der Gruppe Ikamanie mit Samirah Al-Amrie, Musikerin im KQL, sowie Ronnie Waldmann und Dekel Terry aus Arad.

 

Zum Großprojekt „Transformationen“ – im Oktober 2015 steuerte Sabine Hul-vershorn eine umfangreiche Landart-Aktion bei. Sie kontrastierte unter anderem im Bergpark Bauschutt mit leuchtend pinkfarbenen Stäben und akzentuierte den Bau-zaun mit bunten Punkten. Aus dem Weiher im Bergpark ließ sie einen Monsterkopf herausblicken. „Das war eine Menge Arbeit“, berichtet die Künstlerin. „Alleine von der Ausdehnung her ist die Zeche ein Monster.“
 

Neue Aktivitäten sind schon wieder in Planung, und wann immer sie die Zeit findet, schwingt sich die engagierte Frau auf ihr Fahrrad, sieht sich Ausstellungen an oder geht auf Reisen. Wesentlich ist ihr bei allem, was sie (er)schafft, dass andere Men-schen auch etwas davon haben. „Ich bin kundenorientiert“, meint sie lächelnd. Dabei bleibt sie selbst lieber im Hintergrund, denn sie ist ein ruhiger und nachdenklicher Mensch, der sich auf öffentlichen Bühnen aller Art ungerne selbst präsentiert. Sie teilt sich lieber durch ihr Wirken und ihre Kunst mit.

 

Text: Gudrun Heyder
Fotos: Sabine Hulvershorn / privat

 

 

 

Atelier


Sabine Hulvershorn
Spirit & ART
Hünxer Straße 368- 374
46537 Dinslaken
Tel.: 0151/236274