26.09.2013

Extraklasse 2013: Festival der Kreativwirtschaft 13.-15.09.2013

Kreative und Künstler, Anwohner und Aktive zeigen ihr Potenzial

 

Das Kreativ.Quartier Lohberg war bereits zum fünften Mal Standort für das Ruhrgebietsfestival der Kreativunternehmer und Künstler. Drei Tage lang lockten zahlreiche Aktionen die Besucher an.

 

Das Fazit der Beteiligten fällt durchweg positiv aus: Abgesehen von einigen verregneten Stunden am Samstagnachmittag war es ganz schön voll an den verschiedenen Stationen von Kunstflöz und ZechenSession V. Künstler aus dem Kreativ.Quartier und Gastkünstler aus der Region sowie Anwohner, Geschäftsleute und Vereine stellten gemeinsam ein erlebnisreiches Fest auf die Beine. Der rege Austausch untereinander und mit den Besuchern führte dazu, dass sich der Stadtteil Lohberg und das Kreativ.Quartier auf dem ehemaligen Zechengelände wieder ein Stück näher gekommen sind.

 

Hier bewegt sich eine Menge: Das erkennt der Besucher bereits an den Bauzäunen und Baggern auf dem ehemaligen Zechengelände. Die Mauer zur Hünxer Straße ist inzwischen teilweise gefallen und so ist das große Areal endlich wieder von der Öffentlichkeit einsehbar. Viele Interessierte bewegten sich am extraklasse-Wochenende auch selbst, und zwar unter fachkundiger Führung von Anja Sommer. "Die Führung am Freitag war nach zwei Tagen ausgebucht, die am Samstag und Sonntag auch nahezu", freut sich die Stadtplanerin. Kooperationspartner war am Freitag der Landschaftsverband Rheinland, im Mittelpunkt stand der Landschaftsraum Zeche mit seinem bekannten und unbekannten Gelände. Besonderheiten wie das nach einem Bergmann benannte "Kaiserbecken" fanden besonderes Interesse. "Die Besucher waren begeistert und haben viele Fragen gestellt", so Sommer.

 

Sekretärin des Bergwerksdirektors erzählt

Am Samstag trug vor allem Dr. Inge Lietschke, frühere Sekretärin des Bergwerksdirektors und Verfasserin einer Dissertation über die Zeche Lohberg, zu einer spannenden Führung bei. Sie erzählte von der Arbeit der wenigen Frauen in der Männerwelt Zeche und Anja Sommer zeigte im früheren Verwaltungsgebäude Pläne aus den 70er Jahren, die den Wandel dokumentieren. Auch die aktuelle Arbeitssituation der Kreativunternehmer im Kreativ.Quartier Lohberg wurde einbezogen: Sie machen in den alten Zechenbauten wie Gesundheitshaus und Sozialgebäude nun mit ihrer kreativen Arbeit „Kohle“. Am Sonntag standen die engen Zusammenhänge von Architektur und Kunst im Blickpunkt, ebenfalls verknüpft mit dem aktuellen Schaffen der neuen Nutzer aus der Kreativwirtschaft.
Ein Beispiel dafür ist die Nutzung des alten Büdchens direkt an der Zechenmauer als KunstKIOSK422. In diesem speziellen Ambiente gab es am Freitag eine Comiclesung und Samstag und Sonntag die PasteUp-Aktion "Die Mauer muss weg".


Schmiedekunst open air an der Zechenesse

Ein Höhepunkt des Festivals waren die Schmiedevorführungen der Gold- und Damastschmiede Hecho-a-Mano unter freiem Himmel. Die Besucher verfolgten genau, wie an der originalen Zechenesse Gluthitze, Kraft und handwerkliche Präzision zusammen wirkten, um harten Stahl in stilvolle Schmuckstücke verwandeln zu können. Dazu schmeckte ein frisches Schmiedebierchen vom Fass. Auch Walburga Schild-Griesbeck, die ihr Atelier im ehemaligen Sozialgebäude betreibt, war vom großen Interesse der Besucher angetan. "Am Sontag war wesentlich mehr los als an dem regnerischen Samstag. Die hiesigen Künstlerinnen und die Gastkünstler, darunter die NEANDER ART group aus Erkrath, sind sehr zufrieden mit der diesjährigen extraklasse, die auch eine überregionale Ausstrahlung hat. Die Atmosphäre war gut und es gab viele nette Gespräche."

 

Künstlerisch wurde Vielfalt, Fantasie und hohe Qualität geboten: Die Auswahl reichte von Gemälden, Skulpturen, Vektorgrafiken und Fotografien über chinesische Blumenmalerei bis zu handgefertigten Kopfbedeckungen und raffinierten, farbenfrohen Schals und Taschen. Im Studio E.SO.ZA bewunderten die Besucher die filigrane, anmutige Hutkunst von Eva Soßnitza. Im Studio für Malerei MAGENTA führte Ulrike Int-Veen in das Druckverfahren der Monotypie ein. Das Fotostudio Sonderschicht zeigte, dass Hochzeitsbilder auch origineller aussehen können als gewohnt.

 

Kunstkurs des Gymnasiums gestaltet Kauenkörbe

Auch Dinslakener Schülerinnen und Schüler beteiligten sich an der extraklasse: Der Grundkurs Kunst QII des Theodor-Heuss-Gymnasiums setzte sich mit Kauenkörben auseinander - ein Fremdwort für Siebzehnjährige, auch wenn die Zeche nebenan steht. Im Kunstunterricht betrachteten sie zunächst originale Kauenkörbe, erworben auf der extraklasse 2012 in Lohberg.
"Dass Lebensraum und erlebter Raum unterschiedlich wahrgenommen werden können, erkannten die Schülerinnen und Schüler, als sie sich mit der lokalen Landschaft im Wandel zwischen Industrialisierung und Industriekultur beschäftigten", erzählt Lehrerin Sylvia Besmer. Im Museum Kunstpalast in Düsseldorf lernten sie Künstler Andreas Gursky persönlich kennen, der Kauenkörbe als Objekte zeitgenössischer Kunst zeigt, und sahen seine Fotografie "Hamm, Bergwerk Ost" (2008). Sie erfuhren, dass auch Gursky mit dem Kauenkorb als Sinnbild des Wandels vielschichtige Aspekte verknüpft. Anschließend setzten die Jugendlichen das Thema praktisch um. Die Ergebnisse zeigen Assoziationen, Zukunftsängste und –visionen, mit unterschiedlichen Techniken dargestellt. Im ehemaligen Pförtnerhaus stellte der Kurs seine individuell gestalteten Kauenkörbe am Wochenende aus.

 

Lieblingswörter und Kunst am Toilettencontainer

In originellem Gewand zeigte sich am Freitag ein gemieteter Toilettencontainer: In einer Gemeinschaftsaktion hatten die KQL-Künstlerinnen Britta Döring und Gudrun Bröckerhoff den unscheinbaren Klotz mit bunt bemalten Papp-Halbkugeln in ein Kunstwerk verwandelt. Am Samstag mussten diese jedoch dem Regen weichen. Auch die japanische Trommelkunst unter freiem Himmel musste leider entfallen, da die sensiblen Instrumente nicht nass werden dürfen.
Viel Spaß hatten die Gäste bei der Lieblingswort-Tauschbörse der Dinslakenerin Martina Weinem. Sie hatte etwa 350 Wörter eingesammelt, von "Augenschmaus" bis "Zuhause". Ob Balsamico, Senfnasenbär oder Abendstern – die Lieblingswörter schmückten, feuchtigkeitsfest verpackt, einen Gitterzaun. Für das leibliche Wohl sorgte unter anderem die Inhaberfamilie des Kiosks und Stehcafés Deluxe mit türkischen Leckereien.

 

Die Hünxer Straße in Lohberg diente während der extraklasse als "Basistrecke": Die Häuser Nummer 372 bis 422 boten Raum für "kreative Querschläge". In Leerständen, Büros und Ateliers zeigten Kreativunternehmer das Potential, das in Lohberg steckt. So wurde beispielsweise das Autohaus Top-Car-Ya’s von Peter Griesbeck als Ausstellungsraum genutzt und der türkisch-islamische Kulturverein Dinslaken e.V. lud vor seinen Räumlichkeiten zu einer "umgekehrten" Malschule ein, geleitet von der Essener Malerin Susanne Nocke.

 

Klangvolle Töne, kleine Wunder und soziales Miteinander

Nicht zuletzt war die extraklasse auch ein musikalisches Fest: Die Jazzinitiative Dinslaken e.V. bespielte das Festival dreifach mit lokalen und regionalen Musikern, unter anderem im Ledigenheim. Dort gastierte an zwei Abenden auch das Theater Halbe Treppe und war mit einem Liederabend „Kleine Wunder“ von Kordula Völker präsent. Stimmungsvolle französische Tanzmusik boten Ulla und Karlheinz Buchwald mit Drehleier und Dudelsack dar.
Den Schlusspunkt der extraklasse setze am Sonntagabend Kabarettist Matthias Reuter. "Die Menschen sind`ne Krisenherde" hieß sein Programm.

 

Für Lohberg stimmt diese Diagnose nicht, wie Standortmanagerin Svenja Noltemeyer betont. Sie lobt die gute Zusammenarbeit schon bei der Vorbereitung der extraklasse: "Die Beteiligten haben das Festival selbst organisiert und das hat super geklappt. Der Vorsitzende des türkisch-islamischen Vereins hat gesagt: ‚Egal was mit der Zeche ist, die Hauptsache ist das soziale Miteinander.‘ Und das finde ich auch. Es sind viele neue gute Kontakte zwischen den Akteuren und Besuchern entstanden, so dass sich alle schon auf die sechste extraklasse im September 2014 in Lohberg freuen."

 

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