18.12.2013

Gästeführung am 14.09.13 zur Arbeitswelt der Frauen auf der Zeche Lohberg gestern und heute

Frauen auf der Zeche? Sie gehörten dort nicht hin, war man(n) sich einig. Aber es gab Ausnahmen. Wie die Sekretärin des Bergwerkdirektors Inge Litschke in den 1950-er Jahren. Inzwischen höheren Alters, erzählte Dr. Litschke bei einer gut besuchten Führung der Führungsreihe „Neue Kunst und alte Arbeitswelten auf der Zeche Lohberg“ von Stadtplanerin Anja Sommer aus ihrem früheren Berufsleben. Vielen Dinslakenern ist Frau Dr. Litschke durch ihre Dissertation „Im Schatten der Fördertürme“ bekannt.

 

Gästeführung am 14.09.13 zur Arbeitswelt der Frauen auf der Zeche Lohberg gestern und heute

Am 1.5.1951 begann Frau Litschke, geborene Kresse, als Sekretärin für den Bergwerksdirektor Dr. Hoffmann zu arbeiten. „Dieser wollte eine junge flotte Vorzimmerdame haben“ erzählt sie. Ihr kleines Zimmer lag im ersten Stock des Verwaltungsgebäudes im Westteil neben dem Büro des Direktors und einem großen Besprechungsraum. Eine Besonderheit bildete die separate kleine Kaue.



 

 

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Auf die Frage, wie ihr Arbeitsraum denn eingerichtet war, beschreibt Frau Dr. Litschke unter anderem die wichtigsten Arbeitsgeräte wie das schwere schwarze Telefon mit Wählscheibe und die mechanische Schreibmaschine, auf der Tippfehler noch mühselig einzeln behoben werden mussten.

 

Nach ihrem Arbeitsumfeld und den Kolleginnen im Verwaltungsgebäude befragt schildert sie, dass zum Büro des Bergwerkdirektors außerdem ein größeres Zimmer für den Sekretär und den kaufmännischen Verwaltungsbereich gehörte, in dem weitere Damen arbeiteten. Frauen waren im Verwaltungsgebäude außerdem in Bereich der Kasse und in der Lohnbuchhaltung beschäftigt.

 

Frau Dr. Litschke hat in ihrer Zeit als Sekretärin einiges erlebt. Unter anderem schildert sie während der Führung kleinere und größere Begebenheiten wie die Begegnung mit Kartin Türks, der späteren Gründerin der Burghofbühne.

 

Im Fortgang der Führung stellen Frau Sommer und Frau Dr. Litschke weitere Frauentätigkeiten auf der Zeche Lohberg vor.

 

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Außer in der Verwaltung arbeiteten Frauen im m edizinischen Bereich, in der Kantine und als Putzfrauen. Der tägliche Umgangston war für Letztere sicherlich rauer.Hatte einer der Männer dagegen im Verwaltungsgebäude etwas mit Fräulein Kresse zu regeln, war Höflichkeit notwendig. Schließlich hatte die Vorzimmerdame des Direktors eine wichtige Position inne. „Sie galt auch als Vertrauensperson und war bei Problemen oft die erste Ansprechpartnerin“, erläuterte Anja Sommer.



 

 

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Frau Dr. Litschke berichtet, dass die erste Medizinisch-Technische Assistentin zu ihrer Zeit eingestellt wurde. Sie ging im Gesundheitshaus dem Werksarzt zur Hand, unter anderem bei Aufnahme- und Kontrolluntersuchungen für die Bergleute. Die Jungen fingen damals im Alter von 14 Jahren auf der Zeche ihre Ausbildung an.

 

Frauen unter Tage? Nicht nur in Lohberg undenkbar

Eine berufliche Tätigkeit von Frauen unter Tage war bis 2008/9 in Deutschland untersagt. Ein Gesetz des preußischen Staates von 1868 verbot erstmals die Tätigkeit von Frauen im Bergbau. „Es hätte dem damaligen Moralverständnis fundamental widersprochen, wenn eine Frau im Bergwerk gearbeitet hätte“, erklärt Anja Sommer. Selbst in den beiden Weltkriegen wurde daran festgehalten, Frauen nicht unter Tage zu beschäftigen. Frau Dr. Litschke schildert, dass im 2. Weltkrieg Frauen lediglich über Tage in der Kohlenwäsche und am Leseband arbeiteten. Nach 1945 gab es Ausnahmen von diesem Verbot – insbesondere auf dem Gebiet der damaligen DDR. Auf englischen Zechen des 19. Jahrhunderts malochten Frauen dagegen Seite an Seite mit Männern im Schacht. Ging es um billige Arbeitskräfte, galt die Moral nicht viel.

 

Frauen im Kreativ-Quartier heute: Kohle mit Kunst machen

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Im zweiten Teil der Führung besuchen die Führungsteilnehmer Künstlerinnen, die in den Ateliers des Kreativ.Quartiers ihren Lebensunterhalt verdienen.

 

Walburga Schild-Griesbeck räumt mit dem Vorurteil auf, Kunstschaffende säßen hauptsächlich im Atelier herum, bis die Muse sie küsse, um dann spontan ein Meisterwerk auf die Leinwand zu bringen.

 

Auch Ulrike Int-Veen erläutert den interessierten Gästen, dass ein Großteil der Arbeitszeit mit eher unkreativen Pflichten wie Akquise oder Verwaltung gefüllt sei. Außerdem berichtet sie über die Vernetzung der Künstlerinnen und Künstler, die für alle Selbstständigen unerlässlich ist - ob es um Kunstwerke geht oder um andere Produkte, mit denen man Geld verdienen will. „Richtig“ arbeiten tun die in den früheren Zechengebäuden tätigen Frauen also auch, mit dem entscheidenden Unterschied, dass sie keine dienenden Berufe mehr ausüben, sondern eigenverantwortlich handeln.

 

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Die Teilnehmenden waren begeistert von dieser Führung, die Geschichte lebendig machte und viele Einblicke in das Arbeitsleben der Frauen damals und heute gewährte.
Einen besonderen Dank sprach Anja Sommer Bernd Lohse von der RAG Montan Immobilien aus, der den Besuch des Verwaltungsgebäudes trotz laufender Bauarbeiten ermöglicht hatte.

 

Gudrun Heyder

 

Fotos: Kirsten Wegmann, Ausnahme Nr. 2: Dr. Inge Litschke, Nr. 4: Stadtarchiv Dinslaken