23.04.2018

Parkwerk e.V. dreht mit Jugendlichen "Das Wunder von Lohberg"

Die Internetserie über Vergangenheit und Zukunft des Stadtteils will ein realistisches bis wundersames Bild vom Leben in Lohberg erschaffen. Realität und Fiktion werden bewusst durchmischt, um gemeinsam Neues zu entwickeln. Das partizipative Kunstprojekt ist auch ein soziales Projekt: Immer mehr Lohberger*innen beteiligen sich begeistert daran. Premiere ist im Juli.

 

Regisseurin Ayse Kalmaz erklärt: „Im Laufe des Prozesses wird die eigentliche Forschungsfrage immer klarer. Sie lautet: Könnten durch Kunst und Fiktion Möglichkeitsräume geschaffen werden, sich jenseits einer vorgegebenen kulturellen oder sozialen Identität als Weltbürger wahrzunehmen?

 

Drei Förderer für das Filmprojekt

 

„Die Förderer scheinen in unserem Projekt Potential erkannt zu haben: Gleich drei Geldgeber sagten ihre Unterstützung zu“, freuen sich die Mitglieder des Vereins: 1. der Fonds Soziokultur in Bonn, dessen Haushaltsmittel die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien zur Verfügung stellt, 2. der „Förderfonds Interkultur Ruhr“, gemeinsame Initiative des Regionalverbands Ruhr und des Kulturministeriums NRW, und 3. das Bundesprogramm „Demokratie leben“, an dem sich Dinslaken beteiligt.

 

Dreharbeiten zunächst für zwei Folgen

 

Zurzeit dreht die junge Regisseurin Ayse Kalmaz, Filmemacherin aus Dortmund, mit Jugendlichen und Erwachsenen in Lohberg in den sogenannten „Power Picture Studios in Emscherwood“ sowie quer durch die Plätze und Wohnzimmer des ehemaligen Zechenviertels. Weitere Dreharbeiten laufen in Voerde und bald auch in Holland. Zunächst wird es eine neue Pilotfolge und eine erste Folge geben, jeweils etwa zehn Minuten lang. Der Film zeigt Elemente von Lohbergs Vergangenheit und möglicher Zukunft: Die Entstehung Lohbergs um 1920 spielt sich als schwarz-weißer Stummfilm ab; was im Jahr 2060 dort los sein könnte, zeigt eine komödiantische science-fiction-Episode, die nachdenklich stimmen soll.

 

Lohberger Lebenswelten zeigen

 

Der „weiße Stuhl“, ursprünglich im Hyde Park in London beheimatet, landet mitten in Lohberg. Wer darauf sitzt, äußert ohne falsche Rücksichtnahme seine Meinung. Passanten sprechen über Vorurteile, interkulturelle Konflikte oder die Liebe. Weitere Themen sind zukunftsgerichtet: Es geht um den Klimawandel, Roboter und künstliche Intelligenz. Die Regisseurin hat mit den Jugendlichen an Themen gearbeitet, die ihnen wichtig sind. Das vorherrschende Bild von Lohberg soll durchbrochen und erweitert, die Lebenswelt verschiedenster Bewohner*innen zugänglich gemacht werden.  

 

Ähnlich trotz scheinbarer Unterschiedlichkeit

 

Bailey nennt ein anderes Beispiel: „Die Sequenz ‚Lohberg ganz nah‘ taucht in die Lebens- und Gedankenwelten unterschiedlichster Menschen in Lohberg ein, die an ihren Fenstern stehen und über ihre tiefsten Sehnsüchte sprechen. Auch an deren Diversität ist zu erkennen, dass wir uns trotz aller scheinbarer Unterschiedlichkeit eigentlich doch sehr ähnlich sind. Wir alle kennen das Vermissen eines geliebten Menschen, das Erträumen einer schöneren Zukunft, die Einsamkeit, den Wunsch nach einer friedlichen Welt.“

 

Workshops über das Filmemachen

 

„Die Storyline für unseren ersten Piloten „Lohberg46“ entwickelte sich aus einem Workshop mit Adnan G. Köse, der im Sommer 2016 einer Gruppe Lohberger Jugendlicher beibrachte, wie man eine Geschichte und Charaktere entwickelt“ erzählt Amanda Bailey. „Vor zwei Jahren veranstalteten wir bei uns am Wasserturm im Bergpark auf Wunsch von Jugendlichen und gemeinsam mit ihnen ein open air Kino-Festival. Da bot es sich an, gleich ein umfassenderes Verständnis von Film zu vermitteln und damit vielleicht sogar weiterführendes Interesse zu wecken.“ In diesem Rahmen kam auch Ayse Kalmaz auf Einladung von PARKWERK nach Lohberg und brachte den Jugendlichen näher, warum Filme gemacht werden, was man mit ihnen bewirken kann und wie man sie technisch umsetzt.

 

Jugendliche erleben Selbstwirksamkeit

 

„Der Trailer des ersten Piloten aus diesen Workshops mit Köse und Kalmaz weckte so viel Begeisterung, dass die Jugendlichen unbedingt weitemachen wollten“, so Bailey. Die Beteiligten, „anfangs fast nur Lohberger Jungs“, bekamen von Kalmaz viel künstlerischen Freiraum zum Improvisieren. „Sie entwickelten sich dabei laut eigener Aussage persönlich weiter und erlebten durch das Entwickeln des Projektes von der ersten Idee bis zur Präsentation des Films ihre eigene Selbstwirksamkeit.“ Allerdings schufen sie zunächst mit „Lohberg46“ eine Gangstergeschichte, die auch Skepsis in Lohberg hervorrief. Daraufhin beschlossen PARKWERK e.V. gemeinsam mit Kalmaz, bei einer Projektfortsetzung die Lohberger Community, alle Generationen und mehr Mädchen und Frauen in das Projekt einzubeziehen.

 

Spannender sozialer und kommunikativer Prozess

 

Dank der Fördergelder, eines umfassenden Projektkonzepts und eines großen Kooperations-Interesses einer jüngeren Generation der deutsch-türkischen Community vor Ort gelang es, neben dem künstlerischen Prozess auch einen „hochgradig spannenden sozialen und kommunikativen Prozess in Gang zu setzen“, freut sich Amanda Bailey. „Viele Menschen wollen bei dem Projekt dabei sein und ‚ihr‘ Lohberg angemessen darstellen. Darüber entstehen Begegnungen und Gespräche, die uns vorher nicht möglich erschienen.“

 

Nachbarschaftsprojekte fortsetzen

 

Aus dem Zusammenwirken sind auch neue Ideen entstanden. Zum Beispiel möchten einige türkischstämmige Lohberger*innen gemeinsam mit PARKWERK e.V. einen partizipativen Teegarten im Bergpark einrichten, als Event oder regelmäßig. „Die Erwachsenen trinken in Ruhe ihren Tee und die Kinder spielen im Park“, lautet das Konzept.  

Ende Juli 2018 soll der Pilotfilm von „Das Wunder von Lohberg“ Premiere feiern, möglicherweise in der Zechenwerkstatt. „Wir sind gespannt auf den weiteren sozialen Prozess und auf das künstlerische Ergebnis. Sind die finanziellen Ressourcen gegeben, möchten wir das Projekt gerne als eines unserer unterschiedlichen Nachbarschaftsprojekte fortsetzen“, erklären die PARKWERK-Mitglieder Filiz Göcer, Susanne Gülzau und Volker Grans.

 

Laien und Profis vor und hinter der Kamera

 

Kooperationspartner sind bisher der Kinderschutzbund und der Sportverein King‘s Sport. Viele der dort aktiven 124 Kinder und Jugendliche wirken am Filmprojekt mit, als Schauspieler*innen oder in der Technik. Außerdem sind die Profi-Schauspielerinnen Nina Karimy und Sinem Süle in Hauptrollen zu sehen. Die Kamerafrau Martina Di Lorenzo wurde bereits mit dem Deutschen Kamera-Nachwuchspreis ausgezeichnet. Auch der Dortmunder Theatermacher und Drehbuchautor Jost Krüger („Jede Menge Kohle“) ist mit von der Partie. Wieder einmal beweisen die Lohberger*innen, wieviel Potential in ihnen steckt, wenn sie ihre Erfahrungen, Ideen und Wünsche in einem gemeinsamen Projekt umsetzen.

 

Text: Gudrun Heyder  

Fotos: PARKWERK e.V.